Digitalisierung? „Es geht nur ganzheitlich“
Die Cafeteria Campus der St. Elisabeth Gruppe Herne. Prozesse im Hintergrund werden unter anderem durch KI optimiert.
Krankenhausbetreiber St. Elisabeth Gruppe in Herne setzt auf ganzheitliche Digitalisierung. Lösungspartner dabei ist die Schweizer SBI-Group, ein Unternehmensverbund bekannter GV-Branchengrößen wie Carsten Bick und Jürgen Thamm.
gvpraxis, 08. November 2023, Christian Funk
„Wir glauben, dass man heute nur noch Schritt halten kann, wenn man eine ganzheitliche digitale Strategie fährt“, ist Ramin Homayouni überzeugt. Der Gesamtleiter des Verpflegungsmanagements der St. Elisabeth Gruppe ist verantwortlich für über 10.000 Essen am Tag und derzeit noch Chef von vier Produktionsküchen. Sein 250 Personen starkes Team der St. Elisabeth Gruppe, Katholische Kliniken Rhein-Ruhr, versorgt sowohl Kliniken und Senioren-, Pflege- und Reha-Einrichtungen als auch Kindertagesstätten und Kongresszentren und nicht zuletzt die über 7.200 Beschäftigten an den Standorten in Herne und Witten. Homayounis Mannschaft bindet also täglich den bunten Strauß der Gemeinschaftsverpflegung: Vollkostformen oder verschiedenste Schonkostarten hier und Kindergartenverpflegung oder Veranstaltungscatering dort. Hinzu kommen diätetische Kostformen oder auch Halal-Food und internationale Spezialitäten.
„Bei einer derartigen Aufgabenfülle – wir reden hier von im Schnitt 3.000 Frühstücken, 4.500 Mittagsgerichten und 3.000 Abendmahlzeiten – sind die Prozesse im Betrieb erfolgsentscheidend“, sagt Yves-Alain Meier, Geschäftsführer der SBI-Group und der SBI - Support by Improvement. Gemeinsam mit dem Softwareunternehmen SBI startet die St. Elisabeth Gruppe derzeit das Vorhaben „Ganzheitliche Digitalisierungsstrategie“.
Auf dem Düsseldorfer Fachsymposium von gvpraxis und K&P Consulting stellten die beiden gemeinsam erste Ergebnisse der Zusammenarbeit einem größeren Publikum vor: Wie in Herne mit Hilfe künstlicher Intelligenz Archivierung und Qualitätskontrolle der Speisen automatisiert werden. Ein in der Produktion installiertes Kamerasystem am Ende der Tablettierung scannt die Patiententeller, erstellt automatisch Patientenkarten, registriert und archiviert die Bestellungen und speist anschließend ad hoc Daten mittels eines Codes auf dem Bestellzettel geclustert in das System ein.
„Die Abteilung der Küche verursacht drei Prozent der Gesamtkosten des Unternehmens, erzeugt aber 100 Prozent Stimmung in der Belegschaft, bei den Patienten wie auch Ärzten und unseren Gästen.“ Ramin Homayouni, St. Elisabeth Gruppe
„Wir wollen die Operative entlasten“, erklärt Meier. „Gerade in so einer Küche wie in Herne ist der Druck einer korrekten Belieferung der Patienten riesig.“ Die Lösung zur Archivierung der tablettierten Patientenbestellungen sichert so Qualitätsstandards und kann etwaige Fehlerquellen zurückverfolgen. Zudem ermöglicht die künstliche Intelligenz KI) eine datengestützte Analyse des Essverhaltens und darauf basierend Angebotsanpassungen. „So bekommt das Management verlässliche Zahlen aus allen Bereichen. Und es werden keine aktiven Ressourcen in der Operative absorbiert“, erklärt Meier. Auf lange Sicht sollen die Bedürfnisse und Wünsche der Konsumenten bekannt sein, bevor der Bestellprozess startet.
Yves-Alain Meier, Geschäftsführer der SBI-Group und der SBI - Support by Improvement
Um dieses große Ziel zu erreichen, hat das Softwareunternehmen SBI unter der Marke Sionum verschiedene Lösungen entwickelt. Ist bei der St. Elisabeth Gruppe bislang die Lösung „Archive“ in Betrieb, gibt es darüber hinaus Produkte wie „Consumer“, „Forecast", „Wall-I“, „Scan and Pay“. Hinter Consumer verbirgt sich eine intelligente Plattform mit Bestellapplikation. Der Patient bzw. Konsument gelangt über einen QR-Code oder einen Link auf die Anmeldeseite, kann sich dort registrieren und einen Account anlegen. Darüber lassen sich dann Guthaben über unterschiedliche Zahlungsmittel aufladen. „Mit der Bestellapplikation können sich im Fall unserer Healthcare-Kunden die Patienten verschiedene Zusatzservices bestellen, während sich das Krankenhauspersonal schnell und unkompliziert das Essen auf die Stationen liefern lassen kann“, beschreibt Meier.
Scan und Pay ist ein unabhängiges, bargeldloses Bezahlsystem mit automatisierter Speisen- und Getränkeerkennung, ebenfalls auf KI basierend. „Sobald die Scan-Station ein Objekt unter der Kamera wahrnimmt, schaltet das Display in den Aktivmodus und analysiert die Produkte auf dem Tablett in Anzahl und Optik. Im Hintergrund werden diese Objekte mit allen angelernten Produkten verglichen. Auf dem Bildschirm erscheint dann der Name der Produkte und deren Preise sowie die Beschreibung“, erläutert Meier. Anschließend kann der Gast prüfen, ob die erkannten Produkte in Menge und Art korrekt sind, und bestätigt dies. Sollte es dem System einmal nicht möglich sein, einen Artikel zu erkennen – „das passiert, wenn die KI die Speisen noch nicht gelernt hat oder die Optik von der Norm abweicht“ –, kann der Gast über den Self-Checkout die Angaben korrigieren oder ergänzen.
Wall-I ist eine intelligente Lösung zur Kontrolle der Lebensmittelabfälle bei der Tablettrückgabe und in der Produktion. Forecast hingegen ist die KI-basierte Menüplanerstellung und Personalplanung unter Berücksichtigung aktuellster Entwicklungen der Einkaufspreise. Hinzu kommt eine Lösung für Meetings, Konferenzen und Workshops, bei der das System mit dem Catering, der Technik und weiteren Sub-Unternehmen digital verknüpft ist.
Hinter dem vielfältigen Produktportfolio stecken neben Meier zwei bekannte Gesichter der Branche: Jürgen Thamm, Regional Director Continental Europe und Carsten Bick, ehemaliger CEO und langjähriger Einkaufs- und Operations-Chef von Compass Deutschland. Die Firmen Gruppe hat sich der ganzheitlichen Digitalisierung des Foodservice Sektors verschrieben, mit dem Ziel die komplette Wertschöpfungskette unter Einsatz von künstlicher Intelligenz abzudecken – von den Produzenten über die Logistiker bis zum Endkunden, aber auch umgekehrt. „Alle Lösungen haben wir aus der Sicht der jeweiligen Konsumenten entwickelt und dabei die Bedürfnisse der Operative in den Vordergrund gestellt“, sagt Meier, der vor seiner Zeit beim IT-Unternehmen selbst in renommierten Sterne-Restaurants als Koch und Sous-Chef sowie als Eventleiter für Event-Caterer und in der Betriebsgastronomie tätig war.
„Insgesamt kommen jede Menge Daten zusammen, die durch die KI und auch von uns selbst ausgewertet werden. Wir arbeiten dabei sehr eng mit den Kunden zusammen“, so Meier. Letztlich ließen sich Kennzahlen in allen Catering-Prozessen verbessern. Kunden – Betriebscaterer, Unternehmen der Eigenregie und im Healthcare-Segment, Retail Shops oder Immobilienunternehmen – konnten beispielsweise mithilfe von „Scan and Pay“ die Durchläufe an der Kasse um 60 Prozent schneller abwickeln. „In der Spitze waren es bis zu zwölf Durchläufe pro Minute.“
Eine Kennzahl, die dem Unternehmen besonders am Herzen liegt, ist die Kundenzufriedenheit. Die konnte bei der Elisabeth Gruppe um 25 Prozent gesteigert werden. Genau das ist der Grund, warum Gastronomie-Chef Ramin Homayouni künftig noch stärker digitalisieren will und mit Meier eine Gesamtstrategie ins Auge fasst. Ende des Jahres will die Elisabeth Gruppe die vier Produktionsküchen zentralisieren. Die neue Zentralküche glänzt dann mit vier Produktionsbändern, jeweils mit Kamerasystem. Weitere Schritte sollen folgen. Dass Investitionen sinnvoll sind, liegt für Homayouni auf der Hand: „Die Abteilung der Küche verursacht drei Prozent der Gesamtkosten des Unternehmens, erzeugt aber 100 Prozent Stimmung in der Belegschaft, bei den Patienten wie auch Ärzten und unseren Gästen.“